Runder Tisch zur Qualifizierung Geflüchteter als Triebfahrzeugführer




Integration durch eine berufliche Perspektive: Vertreter von drei Eisenbahnverkehrsunternehmen, der Bundesagentur für Arbeit sowie des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg kamen am Freitag in Stuttgart zusammen, um die Qualifizierung von Geflüchteten als Triebfahrzeugführer weiter voranzutreiben.

„Nachdem alle Projektpartner Anfang des Jahres die Leitplanken für dieses Pilot-Vorhaben gesetzt hatten, ging es nun darum, die weiteren Schritte zu koordinieren. Wir wollten gemeinsame Standards bei der Qualifikation der Bewerber konkretisieren, Recruiting-Maßnahmen abstimmen und bürokratische Hürden abbauen“, erklärt Stephanie Schulze, Personalchefin der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), die die Projektgruppe für die Region Karlsruhe/Mannheim leitet. Neben der AVG saßen auch die Verkehrsunternehmen Go-Ahead und die MEV Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft mbH am Runden Tisch in der Landeshauptstadt.

Um den Personalmangel in der Bahnbranche im Südwesten zu mildern, hatte das Landesverkehrsministerium Anfang des Jahres das Pilotprojekt zur Qualifizierung neuer Triebfahrzeugführer ins Leben gerufen. In den nächsten gut zwei Jahren sollen Menschen, die in einem geklärten Aufenthaltsstatus im Land leben und über hinreichend gute Deutschkenntnisse verfügen, für diesen wichtigen Beruf geschult werden. „Bis zu 45 neue Triebfahrzeugführer sollen so für die Eisenbahnverkehrsunternehmen in Baden-Württemberg gewonnen werden“, sagt Christian Röhm vom Landesverkehrsministerium. Der Schienenverkehrsexperte sieht in dem Projekt einen wichtigen Baustein zur Gewinnung neuer Fachkräfte für die Verkehrsunternehmen und einen Beitrag zur Integration dieser Menschen in die Gesellschaft. Je fünf Geflüchtete pro Unternehmen, also insgesamt 15 Personen, wird die Projektgruppe für den Raum Karlsruhe/Mannheim für den neuen Job qualifizieren. Die Rekrutierung dieses Fachkräftenachwuchses wird von jedem Unternehmen eigenständig durchgeführt. Dabei werden sie jeweils von der örtlichen Agentur für Arbeit unterstützt.

„Geflüchtete Menschen bringen ganz unterschiedliche Qualifikationen mit. Ein Teil verfügt über akademische Abschlüsse, ein anderer wiederum hat überhaupt keine formale Ausbildung. Das müssen wir bei der Suche nach geeigneten Bewerbern berücksichtigen, wenn wir diese für den Job als Bahnfahrer fit machen wollen“, beschreibt Annette Gerz von der Bundesagentur für Arbeit (Regionaldirektion Baden-Württemberg) eine der großen Herausforderungen bei diesem Projekt.

Aufgrund der allgemein guten Konjunkturlage ist der Arbeitsmarkt hinsichtlich der Lokführer in den letzten Jahren nahezu leergefegt. Die Rekrutierung und Ausbildung neuer Fachkräfte stellt für die Verkehrsunternehmen eine große Herausforderung dar.

Wir sehen bei dieser Personengruppe ein großes Potenzial, das es jetzt zu nutzen gilt. Wir wollen diese Menschen für den interessanten Beruf als Triebfahrzeugführer gewinnen und ihnen gleichzeitig eine Perspektive für ihr neues Leben in Deutschland eröffnen.

Lena Peringer
Go-Ahead Verkehrsgesellschaft Deutschland GmbH

Das Eisenbahnunternehmen übernimmt im Juni einen Teil der SPNV-Leistungen in den Stuttgarter Netzen.

Grundvoraussetzung für die Teilnehmer an dem Pilotprojekt ist das Bestehen der gesetzlich vorgeschriebenen medizinischen und psychologischen Tauglichkeitsprüfung. „Die hohen Anforderungen, die dabei an die Bewerber gestellt werden, sind notwendig, weil man als Lokführer später eine große Verantwortung für Hunderte von Fahrgästen trägt“, so AVG-Personalchefin Schulze.

Zudem müssen die Bewerber neben einem anerkannten Hauptschulabschluss auch über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Mindestvoraussetzung ist hier ein B2-Sprachzertifikat, das bis zum 30. August 2019 vorliegen muss  ̶  bevor dann ab dem 1. Oktober die eigentliche Qualifizierung zum Lokführer beginnt. Diese wird in Theorie und Praxis von der MEV Eisenbahn- Verkehrsgesellschaft am Ausbildungsstandort in Karlsruhe durchgeführt. „Unser Unternehmen verfügt über eine große Erfahrung und Kompetenz auf diesem Gebiet und bildet für zahlreiche Eisenbahnunternehmen aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz Lokführer aus“, erklärt Jeannette Heller von der MEV Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft mbH.

Mit dem ersten Tag der Qualifizierung erhalten die Kursteilnehmer das branchenübliche Monatsgehalt von circa 2.100 Euro brutto. Die Differenz zu einem durchschnittlichen Azubi-Gehalt, das je nach Berufszweig und Arbeitgeber zwischen 600 und 700 Euro liegt, übernimmt bei diesem Pilotprojekt die Bundesagentur für Arbeit. Bei einem erfolgreichen Abschluss der Maßnahme werden die Teilnehmer dann in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen.

Begleitend zu ihrer Qualifizierung als Lokführer werden die Geflüchteten nachmittags intern noch zusätzlich sprachlich weitergebildet. „Im Eisenbahn- und Verkehrswesen gibt es viele Fachbegriffe, die in einem normalen Sprachkurs für Geflüchtete so natürlich nicht vermittelt werden. Es ist daher wichtig, die Teilnehmer auch mit diesem speziellen Vokabular vertraut zu machen, damit sie den umfangreichen Lernstoff verstehen“, erklärt Schulze. Deshalb wird die Qualifizierungsmaßnahme statt der sonst üblichen neun Monate voraussichtlich etwas zeitlich entzerrt und im Ergebnis verlängert werden. Das Verkehrsministerium finanziert einen Integrations-Coach, der die Geflüchteten in erster Linie bei Behördengängen unterstützt oder ihnen als Ansprechpartner für alle Lebenslagen zur Seite steht. Zudem ist angedacht, dass dieser Coach den Geflüchteten auch die berufsspezifische „Eisenbahnersprache“ beibringen wird.

Auch wenn der Fokus bei diesem Pilotprojekt auf der Qualifizierung von Geflüchteten zu Triebfahrzeugführern liegt, können sich natürlich auch alle anderen Interessenten bei den Verkehrsunternehmen in Baden-Württemberg zum Lokführer qualifizieren lassen.

Alle Verkehrsunternehmen im Land haben derzeit einen Personalbedarf, der weit über das hinausgeht, was wir mit diesem Flüchtlingsprojekt an Potenzial ausschöpfen können. Deshalb freuen wir uns auch über jede weitere Bewerbung von Personen, die Interesse an einem Job als Lokführer haben - sei es als Quereinsteiger oder Berufsanfänger.

Stephanie Schulze
Personalchefin der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), Leiterin der Projektgruppe für die Region Karlsruhe/Mannheim

Die Grundlage für die Förderung im Rahmen des Projektvorhabens bildet das Qualifizierungschancengesetz, über das Arbeitnehmer gefördert werden können, die während ihrer Beschäftigung an einer Weiterbildung teilnehmen.

Mehr Infos zum Projekt „Qualifizierung Geflüchteter als Triebfahrzeugführer“ gibt es hier.

Konstruktiver Austausch: Über das weitere Vorgehen bei der Qualifizierung von Flüchtlingen zu Triebfahrzeugführern verständigten sich in Stuttgart die Vertreter von drei Eisenbahnunternehmen, der Bundesagentur für Arbeit und des Landesverkehrsministeriums (Foto: AVG)


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Daniela Birnbaum, Pressesprecherin (Ansprechpartnerin für Medienanfragen)